Erster Teil
In einer kleinen schäbigen Hütte am Rande eines finsteren Waldes, leben Hänsel und Gretel mit ihren Eltern in sehr ärmlichen, ja bejammernswerten Verhältnissen von einem Tag zum anderen. Seit langem schon ist die Arbeit des Vaters als Holzhacker und Besenbinder knapp und reicht nicht, um die Familie auch nur mit dem Nötigsten zum Leben zu versorgen. Alle Hoffnung auf Besserung aufgegeben, sitzt der Vater nur noch im Schaukelstuhl - frustriert sorgt er sich nun überhaupt nicht mehr um die Seinen.
Mit meistens knurrendem Magen und wenig Abwechslung langweilen sich die beiden Kinder in ihrem Alltagstrott und gehen sich zumeist gegenseitig auf die Nerven. Es ist vor allem immer wieder Hänsel, der seine üblen Späße mit seiner jüngeren Schwester treibt.
Die Mutter betrachtet voller Schmerz und großer Sorge, wie sich ihr gemeinsames Leben zuträgt. – Gibt es denn gar keine Möglichkeit dieses traurige, trostlose Leben irgendwie zu verändern?
Wieder einmal in ihrer argen Not begibt sich die Mutter auf den Weg in den Wald, um dort einen Korb Beeren zu pflücken, damit ihrer Kinder wenigstens etwas zu essen haben.
Der unwirtliche Wald aber ist wie leergefegt, und sie findet nichts Essbares. Hungrig erwarten Hänsel und Gretel ihre Mutter am Abend sehnsüchtig, doch statt der erhofften schmackhaften Beeren in ihrem Korb, finden sie darin lediglich eine bunt bebilderte Zeitschrift. - Verzückt betrachten die beiden diese schillernde Welt voller Reichtum und Farbenglanz. Doch die Mutter erkennt verzweifelt, dass sie ihren Kindern diese Welt niemals wird bieten können, hat sie es doch schon schwer, ihren Kindern die Bäuche zu füllen. Schweren Herzens fasst sie den Entschluss, ihre Kinder nachts an der Stelle im Wald auszusetzen, wo sie die Zeitschrift gefunden hat. Hier, so hofft sie, werden Hänsel und Gretel von Menschen aufgenommen werden, die ihnen ein besseres Leben bieten können und nicht länger ihr gemeinsames bitteres Schicksal teilen müssen.
„Hey, wer seid ihr denn?
Habt Ihr Euch nicht ein bisschen im falschen Märchen verirrt – oder träume ich das alles vielleicht nur?“
Dritter Teil
Der erste Morgen im Wald bricht für Hänsel und Gretel an. Die Idylle und die friedliche Ruhe scheinen trügerisch zu sein, bis auf die wachsamen Taumännchen, die es gut mit ihnen meinen. – Noch sind sie in beschützenden Schlaf gehüllt, noch ahnen sie nicht, in welcher hoffnungslosen Lage sie sich befinden. Dann aber kommt es für sie sehr schnell und klar zum bösen Erwachen. Sie können es nicht fassen, dass sie von ihrer leibhaftigen Mutter auf so heimtückische Art verlassen worden sind und doch müssen sie es so hinnehmen wie es ist. Ziellos, sich durch die Wildnis vortastend, verirren sie sich dabei immer tiefer in den gespenstischen Wald hinein, aus dem es keinen Ausweg mehr für sie zu geben scheint. - Den Weg nach Hause können sie nicht mehr finden, denn ihre ausgestreuten Brotkrümel, haben die Vögel der Nacht aufgepickt. Es wird ihnen unheimlich zumute, Angst beherrscht ihr ganzes Tun, der Hunger treibt sie vorwärts. - Da erblicken sie auf einmal durch das Lichtspiel der Morgensonne hinter den Bäumen ein seltsames Häuschen, von dem sie sich wie magisch angezogen fühlen und ihre Neugierde wird zunehmend größer als ihre Angst.